...ganz oft sind das die ersten Worte von Kunden die zu mir
kommen, wenn irgendetwas nicht klappt.
Im Dezember letzten Jahres bekam ich einen Anruf von einer
Dame aus einer Großstadt in den Niederlanden die ihren Hund für ein paar Monate
bei uns unterbringen wollte. Es ging um einen kleinen Hund, und er trieb sie
buchstäblich in den Wahnsinn. Er attackierte Menschen und Hunde auf der
Strasse, erzählte sie. Er attackierte Menschen die es wagten in den Fahrstuhl
zu steigen wenn sie sich mit ihm darin befand – und da sie im vierten Stockwerk
wohnt, passierte das mehrmals am Tag. Besuch empfangen ging auch nicht mehr. In
öffentlichen Verkehrsmitteln, auf die sie angewiesen ist, wurde er hysterisch
wenn jemand in ihre Nähe kam. Die Dame war überfordert und nervlich am Ende.
Wir vereinbarten, dass der Hund zu uns kommt, bis sie sich soweit erholt hat,
dass ein Neuanfang gemacht werden kann.
Als ich den Hund abholte und mit ihm durch volle und laute
Strassen zum Auto lief viel mir auf, dass er fröhlich aufgeregt war und mit
hoch erhobener Rute alles markieren wollte was in sein Blickfeld kam.
Bei uns stellte sich heraus, dass er ein fröhlicher, schnell
aufgeregter und dann auch sehr bellfreudiger Hund ist, der aber ganz schnell
begriff, dass wir leise besser finden. Grundsätzlich fand er alle Menschen und
Hunde toll. Ein freundlicher kleiner Clown, mit Hang nach Hysterie.
Die kleine Maus hat 4 Monate bei uns gewohnt. Ich habe in
der Zeit nicht mit ihm gearbeitet, da ich überzeugt bin davon, dass das mir
vielleicht was bringt, aber dem Kunden gar nichts.
Letzte Woche war es dann so weit: er konnte wieder nach Hause. Mit der Kundin hatte ich vereinbart, dass wir gleichzeitig eine Trainingsstunde machen. Am Telefon wirkte sie unglaublich unsicher, sprach immer wieder ihre Zweifel aus ob sie das mit diesem Hund schaffen würde – sie hätte ja bis jetzt alles falsch gemacht. Bei ihr angekommen, schickten wir nach der ersten Begrüßungsfreude den Hund erstmal in sein Körbchen für ein Nickerchen. Vorher hatte ich darum gebeten, kein Spielzeug, Kauknochen usw herumliegen zu lassen, da dieser Hund sich schnell von Reizen aufregen lässt und schwer aus sich selbst in die Ruhe findet.
Letzte Woche war es dann so weit: er konnte wieder nach Hause. Mit der Kundin hatte ich vereinbart, dass wir gleichzeitig eine Trainingsstunde machen. Am Telefon wirkte sie unglaublich unsicher, sprach immer wieder ihre Zweifel aus ob sie das mit diesem Hund schaffen würde – sie hätte ja bis jetzt alles falsch gemacht. Bei ihr angekommen, schickten wir nach der ersten Begrüßungsfreude den Hund erstmal in sein Körbchen für ein Nickerchen. Vorher hatte ich darum gebeten, kein Spielzeug, Kauknochen usw herumliegen zu lassen, da dieser Hund sich schnell von Reizen aufregen lässt und schwer aus sich selbst in die Ruhe findet.
Die Kundin erzählte dann, dass sie zwei Hundetrainerinnen
hatte, die festgestellt haben, dass der Hund sehr unsicher ist und viel Stress hat.
Sie arbeiteten nach der Methode von Turid Rugaas, einer norwegischen Hundetrainerin
die sich sehr lange mit der Kommunikation unter Hunden beschäftigt hat und
herausfand, dass unter Hunden sogenannte Beschwichtigungssignale eingesetzt
werden um Konflikten aus dem Weg zu gehen und Stress abzubauen.
Beschwichtigungssignale („Calming Signals“) können nach
Rugaas zB sein: gähnen, schnüffeln, mit der Zunge über die Nase lecken, im
Bogen gehen, sich abwenden, hinsetzen/hinlegen, strecken, Pfote heben und noch
so einiges mehr.
Bei Wikipedia findet man einige Informationen über diese
Theorie, unter anderem folgende Kritik: “Zahlreiche Wissenschaftler und
Hundeexperten weisen darauf hin, dass die Interpretation der beschriebenen
Verhaltensweisen als Beschwichtigungssignale nicht immer richtig ist und
gefährliche Konsequenzen haben kann. Weidt/Berlowitz deuten viele dieser
Verhaltensweisen als Signale innerer Konflikte und bezeichnen sie als
Konfliktreaktionen. Sie weisen darauf hin, dass es sich um
unwillkürliche Reaktionen handelt, die keine zielgerichteten
Kommunikationssignale sind. In einer Diplomarbeit im Rahmen der Untersuchung
frei lebender Haushunde in Italien wurde nachgewiesen, dass die als
Beschwichtigungssignale bezeichneten Verhaltensweisen nicht den Charakter
gezielter kommunikativer Gesten haben. An der Arbeit beteiligte Wissenschaftler
bezeichnen den Umgang mit dem Konzept der Beschwichtigungssignale in
Deutschland als „Beschwichtigungswahn“.“.
Meine Kundin hat 8 lange Monate nach dieser Methode mit
ihrem Hund gearbeitet. Ihr wurde gesagt, der Hund könnte gar nichts lernen,
weil er zu viel Stress hat. Also müsste erst der Stress abgebaut werden. Sie
hat genauestens darauf geachtet, ob der Hund irgendein Beschwichtigungssignal
zeigt – dafür belohnt man ihn dann. Sie musste – nicht nur mitten in der
Großstadt, sondern in einer touristischen Hochburg – allem was ihm Stress macht
aus dem Weg gehen. In diesen 8 Monaten hatte sich sein Verhalten nicht nur
verschlechtert, es war doppelt so schlimm geworden. Beide waren tatsächlich im
Beschwichtigungswahn und konnten schlussendlich nicht mehr normal
funktionieren.
Wir haben angefangen mit der Türklingel. Die Damen der
Beschwichtigung würden sich, wenn sie nicht mehr leben würden, im Grabe
umdrehen, denn wir haben jeden Ansatz zur Tür zu stürmen beim Geräusch der
Klingel beantwortet mit dem Wurf eines Schlüsselbundes gegen die Tür – um ihm
dann die Lösung anzubieten sich in sein Körbchen zu verziehen und Mama alles
weitere regeln zu lassen. Wir haben ihm also Stress bereitet wenn er
territorial motiviert ausrasten wollte und ihm gezeigt, dass es einen Ort und
ein Verhalten gibt wo er in Ruhe gucken kann was da so alles abläuft. Dann sind
wir raus und haben uns auf einer Terrasse niedergelassen um Kaffee zu trinken.
Der kleine Mann wurde unterm Stuhl seiner Besitzerin ins Platz gelegt und wenn
er aufstand wurde er ganz beiläufig aber mit Nachdruck wieder hingelegt. Hunde
kamen vorbei, Menschen kamen an den Tisch, er blieb liegen. Meine Kundin genoss
den Moment – und die Voraussicht, zukünftig morgens entspannt mit Hund auf
einer Terrasse sitzen zu können. Wir haben besprochen welche Position am Besten
wäre wenn sie auf der Strasse angesprochen wird (hinter ihr im Sitz) und haben das
dann auch im Fahrstuhl geübt. Ein grosser, fremder Mann erklärte sich bereit
sein Leben zu wagen, stieg zu Frau mit Hund in den Fahrstuhl und kam nach einer
Runde hoch und runter wieder heraus mit den Worten „ich habe überlebt“ :-).
Wir haben über die Unterschiede zwischen Angst und Demutsverhalten gesprochen
und wie man das am Hund sehen kann. Und wir haben besprochen, wie es
weitergehen soll. Wie sie ihm die Struktur geben kann die er selber nicht
anbringen kann, wie sie ihm die Sicherheit gibt, dass sie regelt was zu regeln
ist und ihm deutlich macht, dass er darin keine Rolle spielt.
Meine Kundin ist eine intelligente, kompetente Frau mit viel
Lebenserfahrung. Sie sagte mir,
dass sie genau weiß, und immer wusste, dass es nicht ok ist, wenn jemand nur
nach einer Methode arbeitet, egal ob es um Menschen oder um Hunde geht. Sie
konnte es irgendwie nicht von sich selbst glauben, so lange etwas gemacht zu
haben was nicht gut war. Aber so geht das, wenn man sich hilflos fühlt und
Hilfe sucht. Jede Hilfe ist willkommen, man wendet sich schließlich an Profis
und die arbeiten dann auch noch mit einer „wissenschaftlichen Methode“ – da
bleibt nur der stetig wachsende Zweifel an der eigenen Kompetenz. Bis zur
Verzweiflung, bis zum Burn-Out. Für den man dann auch noch gutes Geld gezahlt
hat.
Gestern haben wir telefoniert. Meine Kundin hat schon verschiedene
öffentliche Verkehrsmittel „durch“ – kein Problem mit Hundi unter ihrem Sitz.
Auch die anderen Alltagssituationen gehen gut – er fragt ab und zu noch mal
nach und das Recht hat er auch denn er hat das ganz lange so gemacht - sie
unterbricht freundlich aber nachdrücklich seine Ansätze zu agieren und er
akzeptiert das.
Meine Kundin kann es beinah nicht glauben. Ich finde es
beinah peinlich. Das einzige was ich gemacht habe ist, sie von Büchern, einer
Methode, einer Theorie, einer
Indoktrinierung wegzuführen,
zurück zu ihrem eigenen Bauchgefühl, zu ihrer Kompetenz, die die ganze Zeit
schon da war. Zurück zur Normalität im Umgang mit ihrem Hund, der ganz normal,
wenn auch ein wenig affektlabil ist.
Leider passiert mir das immer öfter. Und ruft in mir die
Frage auf: bin ich dafür Hundetrainer geworden? Will ich eigentlich noch so heissen?