Pagina's

Volgers

zondag 11 maart 2012

Komplexität im Tierschutz

Heute morgen fragte ich jemand (Mijke) die durch Nicaragua reist nach dem Leben der Strassenhunde dort und erfuhr folgendes:

"Es gibt ganz viele Streunerhunde. Meistens werden sie in der Nähe von Restaurants toleriert, so lange sie nicht von den Tellern stehlen. Viele Menschen werfen Knochenreste auf die Strasse. Schlimm sind die ärmeren, ländlichen Gebiete - sogar die Hunde die zu Menschen gehören sind dort oftmals sehr abgemagert. Rüden sehen öfter besser aus, säugende Hündinnen sehen grausam aus. Auch bei Pferden und Maulpferden die arbeiten müssen stechen die Knochen raus. In der Nähe einer Vieharztpraxis laufen viel kastrierte Rüden rum. Vereinzelt gibt es in grösseren Städten Auffangprojekte und wird auch kastriert.

Viele Hundehalter lassen ihre Hunde frei laufen und am laufenden Band trächtig werden. Welpen werden überall verkauft, bei Supermarkten, Bushaltestellen usw.. So hat man etwas mehr Geld. Oftmals sind das Leute mit grossen Familien die selber nicht mehr als eine Mahlzeit pro Tag haben."


Meine Idee war eigentlich, Geld zu spenden für Kastrationsprojekte wobei die Hunde wieder ausgesetzt werden. Weniger Welpen, weniger Streuner, Bevölkerung toleranter, Problem kleiner. Aber Moment mal - ich habe ja gerade erfahren, dass die Welpen eine Einnahmequelle sind für viele Menschen, vielleicht die Einnahmequelle die genau für die eine Mahlzeit pro Tag sorgt. Was passiert denn wenn man diese Hunde kastriert? Es wird weniger Welpen geben. Da es scheinbar einen Markt gibt für Welpen, wird der Preis steigen wenn die Anzahl der Welpen abnimmt. In Folge dessen wird der Anreiz, Welpen zu produzieren, steigen.
Die kastrierten Hunde hätten es auch nicht automatisch besser: hatten die Hunde erst noch die Funktion der Welpenproduktion, sind sie jetzt nur noch nutzlos. Warum sollte man sie jetzt noch besser versorgen oder mehr tolerieren?

Das heisst: kastrieren und aussetzen kann eine sehr gute Form von Tierschutz sein an dem einen Ort und an einem anderen Ort das Problem verschlimmern. Hier wäre die Voraussetzung den Menschen zu helfen, so dass sie den Verkauf von Welpen nicht mehr brauchen für ihr tägliches Brot. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass ich, wenn ich kein Essen hätte für meine Kinder, Welpen verkaufen würde um meine Kinder zu ernähren.

So komplex ist das also. Und mein Beitrag am Tierschutz in Nicaragua könnte bedeuten, dass ich in Menschenschutz investiere.

Ich muss nochmal mit Mijke sprechen...

zondag 4 maart 2012

Proportionalität im Tierschutz

Gerade sah ich auf Facebook den Hilferuf einer Tierschutzorganisation, die sich unter anderem einsetzt für Hunde in einer Perrera, einem Auffanglager für Hunde. Laut des Vereins sind alle Hunde in dieser Perrera zur Tötung freigegeben und können nur gegen einen Betrag von80.- pro Hund freigekauft werden. Hierzu wird Geld benötigt.

Bei mir entstanden ein paar Fragen als ich den Aufruf sah. Vielleicht würde ich mir die gar nicht stellen wenn ich viel Geld hätte – das ist aber leider nicht der Fall. Ich würde gerne allen Menschen und Tieren helfen die Hilfe benötigen, aber das geht nicht. Ich habe darum die Qual der Wahl. Erst mal: Mensch (alt? krank? behindert? Psychische Probleme? Kinder? Hungrig? in welchem Land? usw usw) oder Tier (Haustiere oder Nutztiere? Hunde oder Katzen? jung? alt? krank? behindert? eingesperrt? auf der Tötungsliste? hat noch ein Leben vor sich oder soll es wenigstens noch kurz besser haben bevor es stirbt? lebt auf der Strasse aber jemand muss sich kümmern? Aufklärungsprojekte? Kastrationsprojekte? In welchem Land? usw. usw).

Jedes Mal, wenn ich mich für ein Spendenziel entscheide, entscheide ich mich gegen ein anderes das genau so viel Hilfe braucht. Es ist zum verrückt werden! Frustrierend!

Eigentlich ist das auch der Grund warum ich für die Stiftung, die in den Niederlanden gegründet ist um zu helfen die Hunde die ich hier aufgenommen habe durchzubringen, keine Werbung mache (kurz zur Klärung: in NL braucht man, anders als in D, kein Kapital um eine Stiftung zu gründen. Sonst wäre „meine“ nämlich nicht da J). Weil ich ja weiß, wie viel Geld über-und überall nötig ist und wo Mensch und Tier es viele, viele Male schlechter haben als die Hunde die bei mir wohnen.

Die Vielzahl von Hilferufen! Die Vielzahl von Spendenzielen und von Vereinen! Es fühlt sich an wie ein bodenloses Fass, der Tropfen auf dem heißen Stein. Es motiviert nicht um mehr zu machen sondern es lähmt. Und zwar gewaltig.

Ich glaube ich bin nicht der einzige Mensch der diese Gefühle hat. Und was beiträgt an der Frustration und der Lähmung: es wird irgendwie nicht besser. Im Gegenteil: es sitzen immer mehr Hunde in der „Tötung“ und es gibt immer mehr Vereine die das Ziel haben diesen Hunden zu helfen. Irgendwas stimmt da doch nicht? Immer mehr Hunde aus immer mehr Ländern werden nicht nur nach Deutschland exportiert, sondern auch nach allen anderen westeuropäischen Ländern.

Ich habe mir die Frage gestellt, wer eigentlich die € 80.- pro Hund im oben genannten Beispiel bekommt. Und wer darum überhaupt nicht motiviert wäre etwas zu ändern und damit eine tolle Einnahmequelle vertrocknen zu lassen? Mit dem Besetzen solcher Einrichtungen mit neuen Hunden scheint man ja kein Problem zu haben, warum sollte man also Energie und Geld investieren in Kastrationsprogramme wobei die Tiere z.B. danach wieder ausgesetzt werden? Man wäre ja doof.

Eine andere Frage die ich mir stelle: was passiert mit der sogenannten Schutzgebühr die bezahlt wird wenn man einen Hund adoptiert? Beinah überall lese ich, dass das Geld zum Teil verwendet wird für Kastration, Impfung, Bluttests, Parasitenbekämpfung und Transport des Hundes in ein anderes Land. Der Rest geht an den Tierschutzverein vor Ort. Eine Schätzung vom Verein „Pfotenkrieger“ (http://www.pfotenkrieger.de/) geht aus von ca 400.000 importierten Hunden jährlich für Deutschland. Ausgehend von einer Schutzgebühr von € 250.- bis 350.- pro Hund sind das jährlich € 120.000.000. Genau: 6 Nullen. Wenn man die vermittelten Hunde von allen anderen west-europäischen Ländern dazu zählt, kommt man auf astronomische Beträge. Die natürlich in Wirklichkeit noch viel höher sind, denn es wird ja auch gespendet, ohne dass man einen Hund dafür bekommt, es gibt finanzielle Patenschaften usw.

Warum ändert sich denn nichts, trotz dieser Unmenge an Spendengelden die hier umgeht? Wo sind die positiven Berichte, die Schlagzeilen „An diesem Ort sind die Probleme gelöst“? Was läuft hier falsch, trotz aller gut gemeinten Aktivitäten? Sind Beträge die für Tierschutz ausgegeben werden und Angebot an Hunden die gerettet werden müssen proportionale Größen?

Vielleicht müssten wir, die Spender, noch mal ganz doll nachdenken. Darüber, was eigentlich mit dem Geld passiert. Darüber, dass die Möglichkeit besteht, dass unsere Hilfe zur Rettung eines individuellen Hundes bedeuten könnte, dass das Problem größer wird als es ursprünglich war. Nicht unser Problem, sondern das der Hunde mit denen Profit gemacht wird weil das Problem einfach Geld generiert. Wir zeigen auf unseren Hund und sagen "gerettet. Kommt aus der Tötung"... aber was tun wir da eigentlich?

Wir rufen alle, dass man nicht beim Hundehändler, Hundevermehrer usw. Welpen kaufen sollte – auch nicht, um diesen einen so traurig guckenden Welpen zu retten. Weil man damit den Hundehandel finanziert und stimuliert. Machen wir aber nicht genau das, wenn wir Hunde aus Tötungsstationen freikaufen?Und warum heisst es dann Tierschutz?

Ich werde mich auf die Suche machen nach dem Verein, nach der Initiative, die Erfolg hat. Die auf dem Weg ist sich selber überflüssig zu machen und das auch vorzeigen kann: schau, das Problem war erst so groß und jetzt ist es kleiner. Die Anzahl der Hunde wird kleiner, die Hunde haben jetzt ein besseres Leben ohne emigrieren zu müssen, die Anzahl der exportierten Hunde nimmt ab, die Bevölkerung geht anders damit um, wir finden kaum noch Welpen im Müll weil beinah alles kastriert ist.

So etwas würde mir Mut machen. Würde mich in Bewegung bringen statt mich zu frustrieren und zu lähmen. Und: es würde Nachahmung finden, anderen einen Weg zeigen. So dass es vielleicht wirklich mal besser wird!

Twitter